Modell Kunstverein
Art & Language, BANK, Andrea Fraser, Nadim Vardag / Michael Franz, Manuel Graf (Twodo Projekt)

ERÖFFNUNG:
Samstag 17 Januar 2015
19 — 21 Uhr

GEÖFFNET:
18 Januar — 8 März 2015


Ursprünglich als private Interessengemeinschaften des sich emanzipierenden Bürgertums im Vormärz des frühen 19. Jahrhunderts initiiert, um die Vermittlung von Gegenwartskunst unter bürgerlich-autonomen Prämissen voranzutreiben, unterlag das Modell des Kunstvereins in seiner Historie bereits zahlreichen Reformulierungen. So bewirkten insbesondere die institutionskritischen Tendenzen in den 1960er und 1970er Jahren einen grundlegenden Paradigmenwechsel, im Zuge dessen sich Kunstvereine nicht nur durch die offensive Präsentation experimenteller und junger Kunstpositionen definierten, sondern ihre vorhandenen Strukturen im selben Moment als einen Freiraum für die Neuerprobung institutioneller, kuratorischer und ökonomischer Organisationsformen nutzten. Doch auch wenn dieses Selbstverständnis im Zuge des starken Engagements lokaler Netzwerke in den 1990er Jahren eine erneute Blütezeit erfahren hat, scheinen spätestens die Umbrüche des kulturellen Feldes mit dem Beginn des neuen Jahrtausends abermals eine Verhandlung darüber einzufordern, wie sich das Modell des Kunstvereins in seiner aktuellen Situierung fruchtbar fortzuentwickeln vermag. Inwiefern etwa bleibt in den Zeiten digitaler Medien die regionale Kunstszene überhaupt noch an solch lokal verankerte Institutionen wie einen Kunstverein gebunden? Wird die in den Kunstvereinen einst anvisierte programmatische Vermittlung junger Kunstpositionen in unserer Gegenwart darüber hinaus nicht viel eher durch die große Anzahl an Projekträumen der Galerien und Museen geleistet? Welchen tatsächlichen ideellen Mehrwert produziert die in Kunstvereinen traditionell enge Verknüpfung von Künstlern, Sammlern, Kuratoren und Mitgliedern heute noch? Und wie können sich die zu einem Großteil notorisch unterfinanzierten Kunstvereine im Kontext eines neoliberalen Wettbewerbs langfristig behaupten? Für diese und weitere aktuelle Fragestellungen möchte die Ausstellung einen undogmatischen Reflexionsraum generieren, der zu einer offenen Auseinandersetzung mit den gegenwärtigen und zukünftig noch möglichen Formen des MODELL KUNSTVEREIN einlädt.
Anknüpfend an diesen Hintergrund folgt die Ausstellung MODELL KUNSTVEREIN zugleich einer doppelten Strategie. Ein erster einleitender Ausstellungsteil zentriert sich hierbei insbesondere um die Präsentation dokumentarischer Materialien, die wesentliche Einblicke zum aktuellen Status von Kunstvereinen bereitstellen. So vermittelt eine Serie von eigens geführten Interviews mit verschiedenen Akteuren des Kunstfeldes sowohl die zahlreichen Funktionen und Ansprüche als auch etwaige Kritikpunkte, die dem gegenwärtigen Modell des Kunstvereins entgegengebracht werden. Auf einer als Recherchepool fungierenden Stellwand findet sich zugleich eine freie Sammlung von Presseartikeln, Fotos und Statements wieder, die einzelne Aspekte – wie etwa die historische Entwicklung von Jahresgaben und ihre Dimension als ökonomischer Faktor – aufgreift und
beleuchtet. Abgerundet wird dieser dokumentarische Part schließlich durch eine Zusammenstellung von archivarischen Materialien zu Andrea Frasers 1993 in München realisiertem Ausstellungsprojekt Eine Gesellschaft des Geschmacks, in dem sich die Künstlerin eingehend mit den institutionellen Strukturen, Motivationen und Ansprüchen des dortigen Kunstvereins auseinandergesetzt hat.
Seine Fortführung findet der Themenkreis zugleich durch eine Anzahl künstlerischer Positionen, die sich teils aus explizit institutionskritischen, teils im Rahmen assoziativer Annäherungen mit unterschiedlichen Aspekten des Kunstvereins beschäftigen. So dekonstruiert das britische Künstlerkollektiv BANK in seiner Werkserie FAX-BAK etwa die nicht zuletzt oftmals in Kunstvereinen praktizierte „Diskurshaftigkeit” als bloßen Habitus, indem es Pressemitteilungen verschiedener Kunstinstitutionen gezielt analysiert und durch einschlägige Anmerkungen kommentiert. Demgegenüber nähert sich die Arbeit Karaoke sing along von Art & Language in kritischer Weise dem innerhalb des institutionellen White-Cube traditionell passiv ausgerichteten und auf den Sehsinn fokussierten Rezeptionsverhältnis zwischen Kunstwerk und Betrachter an. Ausgehend von dem gemeinsam mit der Band „The Red Krayola” produzierten Musikalbum „Five American Portraits”, das in seinen textlichen und musikalischen Eigenschaften die Personen George W. Bush, Jimmy Carter, John Wayne, Ad Reinhardt und Wile E. Coyote charakterisiert, entwirft die Installation dabei eine interaktive Karaoke-Situation, in der die entsprechenden Personenportraits nicht nur über den Hörsinn konstituiert werden, sondern durch das eigene Mitsingen des Betrachters im selben Moment auch aktiv ausgestaltbar sind. Durch die Kombination von hochgradig ästhetischen Schwarz-Weiß-Bildern mit scheinbar tiefgreifenden, aber letztlich phrasenhaft verbleibenden Dialogen, die sich innerhalb einer zeitlich nicht mehr fixierbaren Partysituation vollziehen, spielt die filmische Arbeit Entropie von Michael Franz und Nadim Vardag schließlich in subtiler Weise mit der Perspektive eines sich lediglich noch in entleerten Formen verlierenden Kunstkodex’. Getragen wird dieses Grundgefühl einer schleichenden Sinnentleerung dabei zugleich durch die implizite Struktur des Films, die sich im Laufe der Handlung mehr und mehr als Montage zahlloser Zitate und Samples auf den verschiedenen Filmebenen erweist.
Als diesjähriger Künstler der 1999 eigens vom NAK initiierten Sammlergruppe TWODO Collection, präsentiert Manuel Graf darüber hinaus Teile seiner Werkserie Doppelgaenger. Dabei entwirft Graf eine anekdotische Fusion zwischen On- und Offline-Welten, indem er die Merkmale von persönlichen Objekten der Sammler durch die Kombination mit Flatscreen-Monitoren hin ins Virtuelle erweitert. Nicht nur reflektiert Grafs Arbeit somit in eindrücklicher Weise das interaktive Prinzip der Sammlergruppe, sondern zugleich steht der gezeigte Werkkorpus implizit für ein einzigartiges, auf privaten Kunstengagement beruhendes Fördermodell innerhalb der deutschen Kunstvereine ein. Diesen Aspekt der ökonomischen Dimension fortführend werden im Foyer des NAK zudem die neusten Jahresgaben von Heike Mutter & Ulrich Genth, Kathrin Sonntag, Martin Weidemann sowie Andreas Herrmann & Horst H. Baumann gezeigt.


Ausstellungsansicht MODELL KUNSTVEREIN, NAK. Neuer Aachener Kunstverein


Ausstellungsansicht MODELL KUNSTVEREIN, NAK. Neuer Aachener Kunstverein


Art & Language, 2012, Courtesy Künstler, Galerie KadelWilborn, Düsseldorf


BANK, 1990-98, Courtesy Artists and Galleria Norma Mangione, Turin


Michael Franz & Nadim Vardag, Entropie, 2012 (HD Film, SW, Ton, 12 min.), Courtesy: Künstler, Georg Kargl, Wien


Manuel Graf, TWODO Serie Doppelgaengers, 2015, Courtesy Künstler, TWODO Collection und Van Horn, Düsseldorf